14/4/2024
Kultur im Wirtshaus
Editorial
Nachgefragt: Gastronominnen im Gespräch
Die Gastronomie, ein „White Boys Club“? Sexismus, defizitäre Kommunikation, Tableaus voller Bier: Welche aktuellen Herausforderungen sehen Frauen, die in der Gastro tätig sind?
Text:
Magdalena Mayer & Martha Miklin II friendship.is

Die Gastronomie, ein „White Boys Club“? Sexismus, defizitäre Kommunikation, Tableaus voller Bier: Welche aktuellen Herausforderungen sehen Frauen,die in der Gastro tätig sind? Und was muss sich ändern? Wir haben nachgefragt.

Elfi Oskan: "Ich strebe nach einer Begegnung auf Augenhöhe“

In meinem beruflichen Werdegang, der stark von meiner Sozialisierung in der Gastronomie und Küche geprägt ist, habe ich bewusst entschieden, nur dasmitzunehmen, was meinem inneren Antrieb entspricht. Dabei habe ich michvon dem befreit, was nicht zu meiner persönlichen Entwicklung beiträgt.Mein Wesen ist von Natur aus harmoniebedürftig, und ich sehe gerne das Positive in allem. In meinem beruflichen Umfeld, das oft von Männern dominiertwird, sehe ich die Herausforderung darin, bei mir selbst zu bleiben, ungeachtet der Erwartungen, die an mich gestellt werden. Es geht darum, authentischdie Frau zu sein, die ich bin und werden möchte, anstatt eine Rolle zu spielen,die mir von anderen aufgezwungen wird.

Die männerdominierte Branche, in der ich tätig bin, verlangt es jedoch manchmal durch alte Gewohnheiten, Kompromisse einzugehen und meine Werteunterzuordnen. Mein Wunsch wäre es, dass in Kooperationen oder Treffen mitMännern meine Kompetenz im Vordergrund steht und nicht mein Geschlecht.Ich strebe nach einer Begegnung auf Augenhöhe, in der Menschlichkeit einezentrale Rolle spielt. Auch wenn es manchmal schwierig ist, die unterschiedlichen Sprachen von Mann und Frau zu verstehen, glaube ich fest daran, dassEmpathie einen gemeinsamen Nenner und Dialog ermöglichen kann.

Neben Menschlichkeit sind für mich Transparenz, Ehrlichkeit und Akzeptanzvon entscheidender Bedeutung. Die Fähigkeit, ungeklärte Dinge anzusprechen, ist für mich genauso wichtig wie das Verlangen, andere zu verstehenund gleichzeitig verstanden zu werden. Nur durch offene Kommunikation undgegenseitiges Verständnis können wir eine echte Verbindung herstellen.

Elif Oskan ist Spitzenköchin und Betreiberin des Restaurants „Gül “in Zürich.

Zineb Hattab: "Ich hoffe auf eine größere Vielfalt"

Wir befinden uns in so einem automatischen Modus, dass wir zu einem gastronomischen Forum immer nur Menschen mit dem gleichen Profil einladenund vorstellen. Wir Frauen brauchen Repräsentation: Wir sollten präsentersein und einander sehen, damit andere inspiriert werden und daran glaubenkönnen, dass sie es auch schaffen. Und wir müssen nicht nur über Frauensprechen, sondern auch über Gender, unterschiedliche Geschlechtsidenti-täten. Wenn zum Beispiel jemand in mein Restaurant kommt, um den Herdzu reparieren, und mich und meinen Souschef sieht, der ein weißer Cis-Mannist: Wen hält er für den Koch? Natürlich ihn. Wir müssen also dieses sozialeKonstrukt ändern, dass ein Beruf zu einem bestimmten Geschlecht gehört.

Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Frauen gibt, die Teams leiten, und ich hoffeauf eine größere Vielfalt im Allgemeinen, auch, was zum Beispiel die ethnischeZugehörigkeit betrifft. Ich möchte mich nicht nur auf Frauen konzentrieren,ich hoffe, dass die gastronomische Landschaft vielfältiger wird, denn ohneDiversität ist sie sehr homogen und langweilig. Vielfalt ist wichtig für Kreativi-tät, für ein gutes Arbeitsumfeld oder nachhaltigere Arbeitsplätze. Ich möchte keinen Ort, an dem Menschen ein Jahr lang arbeiten, emotional und körperlichausbrennen und dann ihren Job ändern wollen. In der Gastro gibt es schöneJobs, die man viele Jahre lang machen kann, wenn die Bedingungen passen.Die nachhaltig sein können. Aber wir müssen viele Veränderungen vornehmen.

Zineb Hattab ist Spitzenköchin und Betreiberin der pflanzlichen Restaurants „KLE“ und „DAR“ in Zürich.

Hannah Neunteufel: "Extroviertierte Frauen werden schief angeschaut"

Wenn ich Revue passieren lasse, was in den letzten 20 Jahren so geschehenist, drängt sich im Rückspiegel doch eine andere Wahrnehmung auf. Mittler-weile bin ich mir sicher, dass Frauen für alles viel mehr kämpfen müssen, da gehört ganz vorne z. B. auch die Finanzierung von Projekten dazu. Vielesin Bezug auf Frauen im Business war mir früher nicht bewusst. ExtrovertierteFrauen werden oftmals schief angeschaut.

Einerseits gehen die großen Diskussionen, wie die Ungleichheit zwischenMännern und Frauen aufgehoben werden kann (egal wobei), an mir vorbei.Ich konnte und kann sie nicht ganz nachvollziehen, denn ich habe immer meinDing gemacht und werde es weiter machen. Ja, wahrscheinlich kämpfe ichimmer schon mehr, denn wir Frauen müssen sicherlich mehr abliefern undreüssieren als Männer.

Andererseits beobachte ich das allgegenwärtige Quotenthema: Die Tatsache,dass man jetzt krampfhaft Frauen vorne hinstellt, macht die Sache nichtbesser; denn ich liebe Qualität, und für mich hat sie immer schon gezählt –geschlechterneutral. Immerhin kommt man so jetzt an die Realität der Männer-welt ran. Denn auch in der Männerwelt fallen personelle Entscheidungen nichtzwingend aufgrund von Qualität und Können.

Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind auch bei diesem Thema sehrgroß. In der Stadt wird vielleicht eher die Qualität bewertet. Am Land ist dasanders, ja schwieriger.

Ich nehme an, dass immer etwas in der Unschärfe oder Schieflage bleibenwird, denn wir Menschen sind einfach nicht gleich. Frauen sind auch nicht sokräftig wie unsere lieben Männer. Zudem hat jeder Mensch, Frau oder Mann,andere Ansprüche, andere Empfindungen. Es wird nie alles gleich werden –und das ist auch gut so. Aber den Weg zum Gleicher-Werden im Sinne einer intersubjektiven Gerechtigkeit gehe ich gerne ganz vorne mit.

Hannah Neunteufel ist Geschäftsführerin der Eventagentur „Hannahs Plan“, von „VIENNABold“ und „VIENNABallhaus“ und Betreiberin des Restaurants „Der gute Fang“in Ybbs/Donau.

Isabella Druckenthaner: "Ich hab gelernt, drüberzustehen"

Was mir immer wieder untergekommen ist: Dass ich „Fräulein“ genannt werdeund mir nebenbei ein paar „nette“ Sprüche über Frauen anhören muss. Mit derZeit hab ich gelernt, schlagfertig zu sein und drüberzustehen. Blöde Sprüche nett und höflich zu kontern, sofern das möglich ist. Mir zu denken: Das ist vielleicht deine Einstellung, meine ist Gott sei Dank anders.

Einmal hab ich in einem Haubenlokal ausgeholfen, ich hab ein Dirndl getragen. Und da hat einer aus der Band, die gespielt hat, zu mir gesagt: „Du darfst mir alles bringen mit deinem Dekolleté.“ Ich war in dem Moment so perplex, dass ich gar nichts gesagt habe und einfach gegangen bin. Dann hab ich zu meiner Chefin gesagt, dass ich den Herrn nicht mehr bedienen will und sie hat das auch respektiert. Solche Situationen verscheuchen junge Frauen, weil sich viele denken: Das tu ich mir nicht an. Auch, weil es ein Knochenjob ist. Im ersten Praktikum war ich die kleine 15-jährige Isabella, aber ich hab auch Schank gemacht und musste Tableaus voller Bierkrüge in den Gastraum bringen. Ein 15-jähriger Bursch stemmt das sicher leichter als ein 15-jähriges Mädell. Ich glaube, das ist auch das Problem bei der Ausbildung, weil viele Mädels sagen: Nein danke, das will ich nicht.

Was ich mir wünschen würde? Mehr Verständnis, mehr Offenheit undmehr Freundlichkeit, und zwar auf Augenhöhe. Einfach netter miteinandersein. Auch wenn ich gerade arbeite und du deine Freizeit verbringst, habe ich Respekt verdient.

Isabella Druckenthaner ist Schülerin aus Altmünster der 4HLa der Tourismusschule Bad Ischl, Teilnehmerin am Genusslabor.

Nina Mohimi: "Wir müssen es nachfolgenden Generationen leichter machen"

Meine Idealvorstellung wäre, dass es irgendwann einfach egal ist, dass man eine Frau ist. Dass es nicht mehr thematisiert werden muss, sondern dieLeistung, die Persönlichkeit beziehungsweise die individuelle Geschichte imVordergrund steht. Aber das ist aktuell nicht möglich, weil es einfach immernoch schwieriger ist, als Frau Sichtbarkeit zu bekommen – selbst wenn der Rest(mehr als) passt. Die Branchenmedien haben hier eine große Verantwortung.Eine komplette Katastrophe ist es, wenn beispielsweise der Herausgeber einerführenden Branchenpublikation sagt, es gäbe nicht viele interessante Frauen inder Gastronomie, sonst würde er ja über sie berichten. Das sind die Einstellungen, mit denen wir umgehen müssen und die die Sichtbarkeit aktiv verhindern.

Aber ich habe Hoffnung, dass sich das ändert, wenn auch langsamer, als ich esgerne hätte. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass viele Frauen in führendenPositionen erkannt haben, dass Frauen keine Einzelkämpferinnen sein müssen.Die Vernetzung nimmt zu. Für meine Online-Liste, die mehr als 200 internatio-nale und nationale Frauen in der Gastronomie und Hospitality, bei Kulinarik-medien und in der Kommunikation beziehungsweise in der Produktion vorstellt,haben sich viele gemeldet und gesagt: Diese und jene Frau fehlt noch auf derListe. Diese gegenseitige Unterstützung hat mich sehr gefreut. Wir müssen esden nachfolgenden Generationen leichter machen. Es wäre auch wünschenswert, wenn sich hier mehr Männer dazu laut äußern und ihre Unterstützungnicht nur in Privatnachrichten zeigen.

Und was wir uns alle vornehmen können: Wenn man zum Beispiel nach einerLieblingsköchin, einer Sommelière und so weiter gefragt wird, auch ohne nach-zudenken mehrere nennen zu können.

Nina Mohimi ist Kommunikationsberaterin mit Schwerpunkt auf Kulinarik und ConsumerTrends sowie Co-Chefredakteurin von „Pop-chop“, dem Future-Food-Culture-Magazin.

Sandra Jedliczka: "Oft werden Grenzen überschritten"

Generell: In der Gastronomie eine Frau zu sein - und dann noch eine berufstätige Mutter – ist oft nicht so einfach. Allgemein ist die Stellung der Frauin der Gesellschaft noch lange nicht die, die sie sein sollte – das ist noch einweiter Weg.

In meinen Anfängen war ich die klassische Studentin, die sich in der Gastro-nomie ihren Lebensunterhalt verdient hat. Als junge Frau im Service stößt manim menschlichen Miteinander mit Männern oft an Grenzen, und sehr oft werdenGrenzen überschritten. Auch was gleichberechtigte Arbeitsaufteilung, Führungskompetenzen, das Aussehen von weiblichen Uniformen und vieles mehrangeht, ist der Fortschritt noch nicht ganz angekommen.

Als Mutter wird man dann noch einmal auf ganz andere Weise herausgefordert.Ich selbst bin seit sieben Jahren Mutter. Das Mochi ist ein Familienbetrieb, undich arbeite mit meinem Partner gemeinsam, also versuchen wir unser Arbeits-und Privatleben halbwegs gut aufzuteilen. Weil wir aber in keinem 9-to-5-Job tätig sind, stoßen wir täglich auf große Herausforderungen. Bei anderenFamilien oder alleinerziehenden Eltern, die nicht das Privileg haben, sich die Aufgaben so frei wie wir einteilen zu können, sieht die Sache in diesem Berufganz anders aus.

Ich wünsche mir, dass wir Frauen in unserer Gesellschaft viel präsenter werdenund die stark männergeprägten Systeme in eine fortschrittliche Zukunft führen.

Sandra Jedliczka ist Mitbegründerin des Mochi in Wien und Vordenkerin in Sachen Fine Dining.